19. Oktober 2020
Langzeit-Schallstudie in Deutschland: Kein Zusammenhang zwischen akustischen und seismischen Wellen von Windenergieanlagen und körperlichen oder psychischen Beschwerden
In einer Studie hat das Verbundprojekt ‚Objektive Kriterien zu Erschütterungs- und Schallemissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland‘ (TremAc) die Auswirkungen von Infraschall und Bodenerschütterungen untersucht. Es konnte kein Zusammenhang zwischen akustischen oder seismischen Wellen und körperlichen oder psychischen Beschwerden plausibel nachgewiesen werden.
Für die Studie wurden Anwohnende des Windparks Wilstedt und auch der Windenergieanlage Ingersheim befragt. 2012 und 2014 analysierten Forscher die Schallwirkung, 2018 widmete sich TremAc dem tieffrequentem Schall (inkl. Infraschall) sowie seismischen Wellen (Bodenerschütterungen).
An der Studie beteiligt war ein Cluster aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehrerer Forschungsinstitute und Mitarbeitenden von Mesh Engineering. Unterstützt wurden die Forschenden von den Unternehmen Enercon und wpd Windmanager. Im Rahmen des Projekts wurden im Windpark Wilstedt die Immissionswirkungen von Windenergieanlagen auf Akzeptanz, Wohlbefinden und Gesundheit der Anwohnenden analysiert. Aufgrund der Ergebnisse der Vorgängerstudie waren bereits Massnahmen ergriffen worden, um die Akzeptanz zu erhöhen. Dazu gehörte u. a. 2017 die Installation von Serrations (Zackenbänder an den Rotoren), um den Geräuschpegel der Enercon-Anlagen zu reduzieren.
Infraschall und Autofahren
Ein Experte der Universität Bayreuth wiederum hat den Infraschall im Innenraum von fahrenden Pkw ausgewertet. Gemäss seinen Erkenntnissen sind Autofahrer während einer dreieinhalbstündigen Autofahrt genauso viel Infraschallenergie ausgesetzt wie bei 10‘000 Tagen Aufenthalt in 300 Metern Abstand zu einem Windrad. Das sind über 27 Jahre.
Subjektives Empfinden
Die von den Anwohnenden geäusserten Symptome konnten nur subjektiv auf einen Windenergieanlagen-Betrieb zurückgeführt werden, heisst es in der Studie. Denn die tieffrequenten Schallamplituden waren äusserst gering. Auch die Bodenschwinggeschwindigkeiten wiesen Amplituden auf, die um ein Vielfaches unterhalb der Spürbarkeitsgrenze des Menschen liegen. Dies mache es unwahrscheinlich, dass diese Wellenarten Stresseffekte auslösen oder ein Grund für erlebte Belästigungen sein können, erläutert Johannes Pohl, Diplom-Psychologe am Institut für Psychologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Das Thema Infraschall wird sehr subjektiv wahrgenommen und emotional diskutiert. Die Ergebnisse der Studie können zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Weitere Forschungen seien allerdings noch nötig, um eine windparkspezifischere Datenbasis zu schaffen und um die physikalischen und psychologischen Faktoren, die zu einer Belästigung beitragen können, besser zu verstehen, schliesst Pohl.